Translate

Sonntag, 21. Oktober 2012

Bürokratie im Oktoberregen

Regen, Regen, Regen...

Ich hab das Gefühl, seit 3 Tagen regnet es durchgängig, und im Wetterbericht wurde angekündigt, dass es in ein paar Tagen durchaus schneien soll. Schnee - im Oktober! Na, wir werden sehen.

Letzten Donnerstag hatte der Bruder von Alyona Geburstag, und ich habe ja schon einmal erzählt, wie sowas abläuft, die ganze Familie kommt zusammen, es wird gegessen und erzählt. Danach spielen alle zusammen, beliebtestes Spiel hier ist Mafia (in Deutschland "Werwolf"). Ich finde es grandios, dass wirklich alle mitmachen, ob jung oder alt und deine Russischlehrerin mit dir Twister spielen möchte.

Beim Erzählen ging es dann auch um deutsche Wörter, die jeder so kennt, neben "Hallo", "Auf Wiedersehen", den Zahlen, etc. fand ich folgendes am besten: "ich kann: ja, nein und... Hände hoch!". Ich frage mich, in welcher Situation man das so braucht... ;D

Vom Freiwilligenclub hatte ich ja schon erzählt, unter anderem veranstalten die auch Flashmobs (wer nicht weiß was das ist:  Erklärung)


Hier mal ein Video davon. Ist viellecht nicht so interessant, aber am Anfang sieht man ein bisschen was von Novgorod, deshalb schaut mal kurz rein.

Hier geht man auch spazieren wenns draußen bitterkalt ist...


Ich hab jetzt auch mein neues Visum für 8 Monate, welches allerdings eher aussieht, wie ein Auszug aus einer Verbrecherkartei von der Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein grünes Blatt, mit Schreibmaschine bedruckt und mit mit bestempelten, eingeklebten Fotos von mir.
Natürlich waren hierfür auch wieder tausende Zettel nötig, Kopien hiervon, Formulare davon und man muss mit grimmigen Beamtinnen verhandeln. Eine schöne Bechreibun und Erklärung für den bürokratischen Irrsinn in Russland (bzw. damals Sowjetunion) gibt es übrigens in meinen Buch über Russland "Reisen in ein unbekanntes Land":


[...] Neben Adam regten sich viele meiner westeuropäischen Freunde oftmals und heftig über die Umständlichkeit der Sowjetmenschen auf. Es fiel dann meistens das ungute Wort, alles sei eben hier überbürokratisiert. Sie sahen hinter all dieser Schwerfälligkeit einen geheimnisvollen und manchmal auch bösartigen Apparat. Warum man aber gerade der Sowjetunion ihre "Bürokratisierung" so übel nimmt, warum gerade unsere Europäer diese Erscheinung mit so feindlicher Herabminderung betrachten, das scheint keineswegs an dieser Bürokratie zu liegen. Ich glaube es hat einen ganz anderen Grund. Jedes Land auf der Welt wird schließlich mehr oder weniger bürokratisch verwaltet. Die Sowjetunion macht hier also keine Ausnahme.
Mir sagte im tiefsten Frieden mal ein Russe "Ihr Deutsche habt tüchtige Leute, wir Russen haben nur Menschen." Ich habe in der Sowjetunion sehr oft an diesen Ausspruch denken müssen und insbesondere dann, wenn uns irgendetwas bürokratisches auffiel. Dabei machte ich eine eigenartige Entdeckung, nämlich die, wie unbeschreiblich fremd, wie völlig ungewohnt den dortigen Menschen die Bürokratie an sich war, wie geradezu hilflos sie allem mechanisch Administrativen, jeder sogenannten "preußischen Ordnung" gegenüber waren. Man hatte ihnen damit etwas beigebracht, das sie schrecklich verwirrte. Sie konnten sich einfach nicht darein finden. Sie waren unsicher geworden, hatten die Initiative und den richtigen Blick verloren, weil sie mit derartih verzwickten Instanzenwegen und Anordnungen niemals zurechtkamen, und dadurch - teils aus Angst, etwas falsch zu machen, teils aus einem kindlichen Respekt vor diesem geheimnisvoll Neuen - erst recht alles komplizierten. Aufrichtig gesagt, mich belustigte das meistens, denn nicht nur diejenigen, welche sich nach der Bürokratie und ihren Maßnahmen richten sollten, nein, auch jene, die sie ausübten, schienen absolut nicht zu wissen, was man damit anfängt, wie man Diesbezügliches durchzuführen habe. Und ich frage mich nicht nur einmal, nein hundertmal, wer es denn nun bei alledem schlechter habe: Die Menschen oder die Bürokraten? [...]

aus: Reisen durch ein unbekanntes Land, Bastei-Lübbe, 1987. Auszug aus der Geschichte: Oskar Maria Graf: Vom großen Gorki und von der kleinen Bürokratie. Seite 124-25.

Genau so seh ich das auch; ich glaube nichtmal die ganzen Beamten selber können erklären wozu man alle tausend Stempel braucht.

Russisches Wort des Tages:

идёт дождь - es regnet


From Russia with Love,

Heinrich

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen