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Montag, 21. Januar 2013

Eishockey in der Eisenbahn

Привет!

Heute ist ein relativ wichtiges Datum denn: die erste Hälfte meines Austauschjahres hier in Russland endet. Ja, schon komisch, wie fix die Zeit vergeht. Ab jetzt kommt die Abfahrt schon näher.
Aber natürlich bin ich nicht morgen schon wieder zuhause, also bleibt noch viel zu erleben.

Letzte Woche hatten wir in der Schule "Tage des Gesunden Lebens". Am Donnerstag musste ich nicht teilnehmen, konnte also zu Hause bleiben ;D
Am Freitag musste ich aber ran, an dem Tag waren dann irgendwelche Psychologinnen bei uns und haben irgendwas erklärt und solche Ankreuztests gemacht, was für mich aber ziemlich langweilig war. Mein spaßiger Höhepunkt am Freitag war aber auch eher die Zahnwurzel-operation beim russischen Zahnarzt. Nachdem sie per Betäubung meine linke Gesichtshäfte lahm gelegt hatten, durfte ich jedoch Musik hören, das fand ich ganz nett.

Am Samstag morgen ging es dann nach St. Petersburg in die Wohnung meines Gastvaters. Mittags hab ich mich mal wieder mit Lisa getroffen, die die besten Geschichten in den besten Petersburger Cafés erzählen kann, zusammen sind wir dann auch noch ein bisschen den Nevskiy Prospekt entlang gelaufen.


 Gostiny Dvor

              Nevskiy Prospekt












Unser eigentlicher Grund nach Piter zu fahren war aber das Eishockeyspiel zwischen SKA St. Petersburg und Dynamo Moskau. Um es ehrlich zuzugeben, Eishockey bewegte sich bisher eher außerhalb der Sportarten, deren Spiele ich aktiv verfolge (dieses Feld ist sowieso recht klein), daher war das auch für mich das erste Mal, dass ich ein Spiel live sehe. Nun, das Ganze ist spannender als ich angenommen hatte, für alle die's nicht wissen: man spielt 3 Runden á 20 Minuten, dazwischen jeweils 15 min Pause. Drumherum gibt es natürlich allmöglichen Trara der aufgeführt wird um die Leute zu unterhalten. Aus regeltechnischen Gründen wird bei diversen Ereignissen im Spiel die Zeit angehalten. Dann gibt's Musik und russische Cheerleader tanzen ;D

 Beachtenswert, wie die schwerbepackten Jungs so filigran auf den Schlittschuhen laufen ;D












Zudem dann noch tausende Lichteffekte und Slogans für die Heimmannschaft (SKA). Dazu bekommt jeder noch ein Stück Pappe, das man bei Bedarf auch zu einem Klapperding falten kann.
So insgesamt wird auf jeden Fall viel Wirbel gemacht und die Russen scheinen das zu lieben. Am Ende hat unsere Mannschaft aber leider 2:3 gegen Moskau verloren.

Am Sonntag waren Sascha und ich noch im Scheremetjewo-Palast, der war aber grade in Restauration, daher war unsere Besichtigung mit knapp 30 Minuten relativ kurz. Wir sind dann noch etwas durch die Innenstadt gelaufen und haben unseren Zug nach Hause gerade noch rechtzeitig bekommen.
Die Eisenbahn ist in Russland übrigens das beliebteste Transportmittel. Die russische Staatsbahn РЖД (Российские железные дороги) hat ein Streckennetz von 85.500km (zwei mal um den Äquator). 
Von der Transsibirischen Eisenbahn hat jeder schonmal als Abenteuer-Zug gehört, tatsächlich ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn man, um Verwandte zu besuchen, durchaus mal 36, 48 oder mehr Stunden nur im Zug verbringt. (Dafür bleibt man dann aber auch für einen Monat zu Besuch, möglicherweise zum Leid der Gastgeber). Schlafwagen sind auch nicht zwangsläufig als Abteile vorgesehen, man schläft durchaus auch im normalen Waggon mit 100 anderen Leuten.
Natürlich gibt es nicht nur Fernzüge, sondern auch Vorortzüge (Электричка/Elektritschka). Die sind nicht so teuer (200 Kilometer nach St. Petersburg - 9€), aber auch unheimlich langsam und schlecht ausgestattet. Außerdem unheimlich kalt, jedenfalls ziehe ich niemals meinen Mantel aus und friere immernoch. 
Russische Eisenbahnen fahren übrigens auf Breitspur, also die Schienen sind weiter auseinander als bei uns in Deutschland. Außerdem gehen die Fahrpläne in ganz Russland, egal in welcher Zeitzone, nach Moskauer Zeit. Aber die Züge sind wenigstens pünktlich. 

Das war's dann für heute, jetzt noch meine persönliche Bilanz des ersten Halbjahres.


Russland ist ein schwieriges Land für einen Schüleraustausch, das ist mir durchaus bewusst geworden. Ich glaube jeder Austauschschüler erfährt in seinem Leben, dass sein Jahr im Ausland nicht nur Spiel, Spaß und Spannung bedeutet. Und jeder hat auch andere Erwartungen und Empfindungen. Für mich stellt sich das Jahr hier in Russland vielleicht nicht als das großartigste Jahr meines Lebens heraus und ich erlebe auch nicht die allerschönsten und atemberaubensten Dinge hier. Es stellt sich für mich eher wie eine große Erfahrung heraus, ein Versuch eine Kultur, Lebensweise und Sprache zu verstehen, in die man aber doch nie vollkommen eindringen wird. Für mich hat sich das mein Auslandsjahr bisher nicht als das große Spaßjahr gestaltet, das man vorher vielleicht erwartet. Nein, es fühlt sich für mich fast an, wie ein normales Lebensjahr, mit Höhen und Tiefen und ganz alltäglichen Problemen, nur in anderen Umständen, in einer anderen Familie in einem anderen Zuhause. Ich entdecke jeden Tag weiterhin etwas Neues und Unbekanntes, aber ich bin aber trotz alldem im russischen Alltag tief drin. Das hätte ich so nicht erwartet, dass ich mich in das Leben der Russen so tief einleben kann. Auf der einen Seite ist das natürlich super, ich kenne Russland nach diesem Jahr sehr, sehr gut denke ich. Auf der anderen Seite bedeutet die gute Integrierung in den Alltag natürlich auch, dass es für mich nicht oft nicht so superspannend ist, wie man es vom Austauschjahr erwartet. Ich habe mir diese Situation vorher nie vorgestellt, aber die Erkenntnis ist gar nicht so schlimm. Und ich denke ich lerne trotzdem sehr viel hier. Und es macht mir nach wie vor Spaß, Neues zu entdecken und zu sehen, eine neue Sprache zu lernen, herauszufinden, wie andere Familien leben. Deshalb bin ich froh, zu meinem Austauschjahr aufgebrochen zu sein und auch nach Russland gegangen zu sein. Dieses Land viel schöner als es sich gibt. Die unendlichen Weiten der Landschaft, russische Architektur in den Metropolen und auch die russische Seele können einen wahrlich faszinieren. Aber es ist sehr schwierig mit den Menschen in Russland in Kontakt zu kommen. Ich habe hier durchaus mit vielen Leuten Bekanntschaft geschlossen und gehe mit Leuten spazieren oder besuche sie. Aber so richtig in einen Freundeskreis zu kommen, ist fast unmöglich. Ich habe mit den anderen Austauschschüler hier in Russland viel darüber geredet und mitbekommen das die meisten gleiche Erfahrungen gemacht haben. Das ist natürlich etwas schade, denn ich empfinde es als zentralen Bestandteil eines Austausches. Aber es liegt ja noch die zweite Hälfte vor mir - wer weiß was kommt?
Ich werde berichten!


Russisches Wort des Tages:
половина (polawina) - Hälfte

From Russia with Love

Heinrich

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