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Sonntag, 28. April 2013

Kultur-Tour mit Sperrholz

heyhey!


Kultur - das war das Thema der Woche! Aber dazu gleich, erstmal erzähle ich euch über unsere Klassenexkursion am Donnerstag.

Nach der 5. Stunde sind wir alle zusammen nach Tschudowo gefahren, ein 15.000-Einwohnerort, 70 Kilometer nördlich von Novgorod. Außer dem Bahnhof, der an der Moskau-St. Petersburg Strecke liegt, gibt es dort eigentlich nicht soviele Sehenswürdigkeiten außer: einer Sperrholzfabrik. Ja und genau in die sind wir gefahren. Dort hatten wir eine halbe Stunde Führung in Schutzwesten, Brillen und Ohrenschützern, bei der wir uns unendlich viele Maschienen zur Sperrholz-Produktion ansahen (genau so interessant wie es klingt). Danach konnten wir dort aber noch in der Kantine essen, was für den Preis echt unschlagbar war (:



Anschließen fuhren wir in das Museumshaus des russischen Dichters Nikolai Alexejewitsch Nekrassow (Н. А. Некрасов, 1821-1877), der dort immer mal seinen Sommerurlaub verbrachte und wichtige Gedichte und Romane schrieb. Außerdem ist er unheimlich gerne jagen gegangen (beliebter russischer "Sport" zu der Zeit), daher ist das ganze Anwesen mit Bärenfellen, Hirschgeweihen und ausgestopften anderen Trophäen überhäuft.
Alles in allem war es aber ganz interessant mal woanders mit der Schule hinzufahren ;D


Nun zum Kulturteil: Nachdem ich ja die letzten Monate nicht ganz so oft ins Theater gegangen bin, habe ich mich diese Woche intensiv damit auseinandergesetzt und war 4 Mal dort. 
Dazu muss man sagen, dass wir auch gerade ein Theaterfestival in Novgorod zu Gast haben, daher sind verschiedene Ensembles und Schauspieler von überall zu uns in die Stadt gekommen (z. B. aus Japan, Frankreich, Ungarn, Wales, etc.).
Es folgt ein kurzer Bericht der einzelnen Aufführungen:

№ 1, Montag

Name:
Юнона & Авось (Junona & Avos), 1979

Was?:
Russische Rock-Oper

Sprache: 
Russisch und Spanisch

Worum ging's?:
Ein russischer Abenteurer fährt Anfang des 19 Jhd. nach Amerika, um dort für die russische Ostamerika-Kompanie im (damals noch spanischen) Kalifornien zu arbeiten. Dort lernt er auf einem Ball natürlich ein Mädchen kennen, sie verlieben sich, es gibt aber noch einen Mitbewerber. Das Ganze endet in einem Duell, was der Russe zwar gewinnt, aber durch den Skandal und die wirtschaftlichen Probleme seiner Kompanie muss er zurück nach Russland und stirbt einsam in Sibirien, das Mädchen wartet 35 Jahre in einem Kloster.

Wie war's?: 
Also die Musik, die zwar wenig an "Rock" erinnerte, sondern eher an eine Art Sowjet-Schlager, war eigentlich ganz unterhaltsam. Alles andere dafür war echt nicht gut, Choreographien und Schauspiel sind meiner Meinung nach sehr laienhaft gewesen. Bei dem Preis und der 30-jährigen Aufführungs-Historie hätte ich mehr erwartet.


№ 2, Freitag


Name:
Angiolina Neroliva

Was?:
2-Mann-Theaterstück

Sprache: 
Französisch und Italienisch, mit russischen Untertiteln

Worum ging's?:
Das süditalienische Mädchen Angiolina Neroliva will dem eintönigen Schicksal entkommen, welches ihr in dem kleinen Dorf in dem sie wohnt, bevorsteht (Arbeiten auf Olivenfeldern) und fährt deshalb mit ihrer Großmutter Concetta in die Stadt zu ihren Brüdern. 
Dort erlebt sie das harte Stadtleben; beim Arbeiten in einer Nähfabrik und beim Wohnen mit ihren Brüdern in einer Arbeiter-Gemeinschaftswohnung. Natürlich lernt sie bei in der Fabrik einen Mann kennen, dann geht's aber noch um die italienische Familienehre und am Ende fährt sie zurück in ihr Dorf in Süditalien.

Wie war's?:
Die beiden französischen Schauspielerinnen waren einfach klasse. Eigentlich haben sie mehr eine Geschichte erzählt, dabei gesungen und getanzt und weniger ein Theaterstück aufgeführt. Ohne großartige Requisiten oder Kostüme und nur zu Zweit, unterstützt von italienischen Volksliedern und ihrem Akkordeon haben sie wunderbar und mit viel Humor die unterschiedlichen Charaktere der Geschichte dargestellt und das Schicksal des süditalienischen Landmädchen ganz toll erzählt. Nach der Aufführung konnte ich auch noch kurz mit einer der Schauspielerinnen sprechen, was ziemlich interessant war.


№ 3, Freitag


Name:
M von Macbeth

Was?:
Physisches Theater

Sprache: 
Englisch

Worum ging's?:
Das Stück spielt auf zwei Ebenen, zum einen geht es um den inneren Konflikt von Shakespeares Macbeth, auf der anderen Seite um den inneren Konflikt der heutigen Jungend. Beide, MacBeth und der moderne Jugendliche kämpfen mit innerer Ungewissheit über das eigene Sein, der Anpassung an Erwartungen ihrer Umwelt. Es zeigt eine Adaption des inneren Kampfes, ausgelöst durch Macht und Einfluss bei McBeth übertragen auf die heutigen Anforderungen an Jugendliche, sowie auch deren Gefahren und Versuchungen.

Wie war's?:
In einem Wort: grandios. Gespielt haben 4 ausgebildete Schauspieler und ein Jugendlicher, mit Ausdruck und auch Humor, aber vorallem mit wirklich gut durchdachten Motiven und tieferem Sinn. In tollen Bewegungen und Choreographien haben sie diesen inneren Kampf und die Versuchungen, Einflüsse, den eigenen Erfolg und das Scheitern an gesellschaftlichen Anforderungen dargestellt, sind dabei aber gut verständlich geblieben, so dass man auch ohne künstlerisches Fachwissen die Botschaft verstehen konnte. Ich war wirklich absolut begeistert.




Name:
Altera Pars - Die andere Seite

Was?:
Zeitgenössischer Tanz

Sprache: 
Ohne, Tänzer aus Ungarn

Worum ging's?: 
Die ganze Darbietung ist ein Duett zweier Individuen in einer Athmosphäre die bis auf die beiden leer ist. Sie existieren zuzweit, außerhalb ist nichts, sie kämpfen in ihrer Zweisamkeit, müssen sich gegenseitig in ihrer grotesken Welt erkennen.

Wie war's?:
Meiner Meinung nach zu zeitgenössisch. Die wahrscheinlich mit präziser Sorgfalt erdachten Elemente haben sicherlich alle eine sehr tiefe Bedeutung, die sich mir aber nicht immer erschließt. Vieles sah für mich irgendwie aus wie umherrobben auf dem Boden oder wie willkürliche Drehbewegungen, obwohl es eigentlich eine hart erarbeitete, bedeutungsintensive Choreografie ist.
Leider waren auch die Umstände nicht so toll, da wir auf provisorischen Holzbänken in einem engen Zuschauerraum sitzen mussten, und einen Großteil der Bühne gar nicht sehen konnten. Das beeinträchtigt ja auch immer den Eindruck.

alle bilder und mehr Info's: http://www.kingfestival.ru


So, dass war meine Kulturwoche - bald beginnt der Mai und damit der letzte Monat meines Austausches. Als erstes kommen aber die Maifeiertage - vielleicht gehen wir ja demonstrieren ;D

Ich werde dann berichten!

Russisches Wort des Tages:

сцена (szená) - Bühne




From Russia with cultural impressions

 Heinrich



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