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Sonntag, 12. Mai 2013

Ehre dem Vaterland bis zum Ende - Der Tag des Sieges



С Днём Победы!
Alles Gute zum Tag des Sieges (über Deutschland im 2. WK)


Gratulationsplakat mit "Wir sind aus Berlin (zurück)"
Am 9. Mai sind wir dann am Höhepunkt der Maifeiertage angekommen: dem Tag des Sieges ("Den Pobedy").

Dieser Feiertag ist einer der größten in Russland, ich wage sogar zu sagen DER Feiertag überhaupt. Mir kam es vor wie Weihnachten, Sylvester und Ostern zusammen (nur eben ohne Geschenke). Die Städte sind geschmückt, in St. Petersburg habe ich an den großen Werbetafeln echt nirgendwo kommerzielle Plakate gesehen, sondern nur offizielle Poster mit Glückwünschen zum Tag des Sieges. Dazu waren auch die Bahnhöfe entsprechend dekoriert (am Donnerstag fuhr man mit der Staatsbahn zum halben Preis), und im Internet auf vkontakte regnete es Bilder und Zitate.

Die Polizei in Paradeuniform (:


Am Tag des Sieges wird, logischerweise, dem Sieg der sowjetischen Streitkräfte im Großen Vaterländischen Krieg (rus. Великая Отечественная Война, Teil des 2. Weltkriegs) über die faschistischen Truppen gedacht. Dieser Teilkrieg begann 1941 mit dem Angriff auf die Sowjetunion und endete 1945 mit der Kapitulation des Dritten Reiches. Die Euphorie, mit der dieser Feiertag immernoch begangen wird, ist relativ leicht mit der russischen Sicht auf den Krieg zu sehen: Nachdem Deutschland die Sowjetunion auf ihrem Territorium angriff, haben deren Soldaten mit Unnachgiebigkeit und Mut das Vaterland (bzw. Frauen, Mütter, Kinder) geschützt und gegen den Feind verteidigt, vor einer möglichen Fremdherrschaft bewahrt und die Freiheit des sowjetischen Volkes wiederhergestellt. 
Das Datum, der 9. Mai, bezeichnet das Ende des Krieges, also den Tag an dem Deutschland 1945 die Kapitulation unterschrieben hat. 
Geschichtsfreunde mögen anmerken, dass dies doch am 8. Mai geschah, das ist auch richtig (Reims), die letzte Unterschrift im Sowjetischen Hauptquatier in Berlin-Karlshorst ging aber erst nach Mitternacht ein.

Der 9. Mai ist natürlich ein arbeitsfreierTag, unsere Schule hat uns auch ein verlängertes Wochenende gegeben. Am Mittwoch haben wir aber schon in der Schule gefeiert und zwar mit einem "Wettbewerb des patriotischen Liedes", bei dem jede Klasse ein Kriegs-, bzw Soldatenlied singen musste.


Unser Klassenlied war:
"Наверх вы, товарищи!" (Варяг)/ Nawerch wuy, Towarischi, also "Auf, ihr Genossen!"

 Ich mach mal eine kurze Übersetzung von 3 Strophen 


(1) Auf, ihr Genossen! Alle auf die Plätze!
Die letzte Parade bricht an.
Dem Feind ergibt sich nicht unser stolzer "Warjag"
Niemand wünscht Gnade

(2) Alle Fahnen Flattern, Ketten rasseln,
Der Anker wird gelichtet.
Bereitet euch auf die Schlacht vor! Geschütze sind aufgereiht
Die Sonne funkelt bedrohlich

(4) In Todesqualen zittert der Körper,
des Geräusch von Kanonen, und Rauch, und Stöhnen...
Das Schiff unter einem Flammenmeer
Die Minute des Abschieds ist gekommen

(5) Verabschiedet euch, Genossen! Mit Gott, Hurra!
Kochendes Wasser unter uns!
Als wir gestern noch mit euch waren, dachten wir nicht,
dass wir heute unter den Wellen sterben.


Macht Lust auf Krieg, mhm?
Hier die Aufnahme wie meine Klasse singt.

Nachdem alle Klassen fertig waren und auch die Lehrer ihr Lied gesungen haben, kam noch ein Veteran zu uns, der ausführlich von seinen Kriegserlebnisse erzählte.




Abends fuhr ich mich Sascha nach St. Petersburg.

Der Nevskiy Prospekt im Flaggenmeer
Wie schon gesagt, dort war alles, die ganze Stadt, dekoriert. In den Straßen hingen Russland-Flaggen, Transparente und Blumen.
Am 9. Mai, fuhren wir morgens zum Platz vor dem Winterpalast, wo um 10:00 eine Militärparade stattfand. Leider konnte ich nicht viel sehen, da vor mir 30 Reihen Menschen standen und man aufpassen musste in der Menschenmenge überhaupt noch Luft zu bekommen. Eine Stunde habe ich gebraucht, um mich auf einen Platz vorzukämpfen, an dem ich was sehen konnte, da war die Parade aber schon fast vorbei.


Auf dem Palastplatz
Katastrophenschutz


Später waren wir ein bisschen spazieren, überall konnte man Russland- oder Sowjetflaggen kaufen, außerdem Mützen, Luftballons in Panzerform und allen anderen möglichen Kram. Später begann dann der Veteranenumzug. Dazu wurde der Nevskyi Prospekt für Autofahrer gesperrt, eine Stunde lange zogen Armeeeinheiten, Militärorchester und eben Veteranen vorbei. Auf den Paradeuniformen glitzerten stolz die Orden, und als sie vorüberzogen riefen die Zuschauer "Hurra, Hurra", klatschten und liefen von allen Seiten hinzu, um den Veteranen Blumen zu schenken und ihnen zu danken. Das habe ich so noch nie erlebt.
Später folgten Überlebende der Blockade Leningrads und deutscher Konzentrationslager, dann ehemalige Helfer der Staatsbahn.
Ganz zum Abschluss folge dann die Kommunistische Partei, rote Fahnen schwenkend und mit Bildern von Stalin.


Alle Veteranen werden von links und rechts mit Blumen überhäuft
Auch Frauen, selbstverständlich

Die Russischen Frontabschnitte





Überlebende der Blockade Leningrads


"Ни шагу назад" (Kein Schritt zurück) war eine der Kriegsformulierungen Stalin, diese Doktrin brachte die entscheide Wendung im Deutsch-Russischen Krieg

Mitarbeiter der Staatsbahn РЖД


Die Kommunistische Partei Russlands

Genosse Stalin


Spätabends endete der Festtag mit einem Feuerwerk.
Die ganz große Parade fand allerdings nicht in St. Petersburg statt, sondern auf dem Roten Platz in Moskau.
Wer interessiert ist: nach der Präsidentenansprache maschieren erst die Truppen (Min. 20), dann kommen Kriegsmaschinerie und Raketen (Min. 37) und anschließend noch die Luftwaffe (Min. 46).


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Für jemanden wie mich, der das zum ersten Mal erlebt, war es unheimlich überwältigend, wieviel den Russen dieser Tag bedeutet. Wie ich vorhin schon geschrieben habe, gibt es auch ausreichend Grund den Tag zu feiern, an dem ein so grausamer Krieg zu Ende ging. Über die Art und Weise des Gedenkens und über die Glorifizierung kann man sich natürlich streiten. Für einen Deutschen ist es ein komisches Gefühl, wenn der Lieblings-Autoaufkleber skandiert: Auf nach Berlin!
Fast 70 Jahre danach und unter anderen Umständen und in einer anderen Generation, im Zeichen der Völkerverständigung und des Friedens sollte man vielleicht nochmal überdenken welche Lieder und Gedichte, oft geschrieben in Rache, Wut und Hass, wir unseren Kindern beibringen.
Gedenken ist richtig und wichtig, aber dadurch sollte keine neue Feindschaft gesät werden.. (Ich habe oft von Jugendlichen gehört, dass sie früher dachten, dass Deutsche und Russen gar nicht befreundet sein dürfen. Schade wenn ein jahrelang aufrechterhaltenes Feinbild solche Nebenwirkungen mit sich bringt..) Aber das ist eine ganz andere Sache zum diskutieren.
Freuen wir uns, dass wir in Frieden leben!
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Russisches Wort des Tages:

Война (woina) - Krieg  

und 

Мир (mir) - Frieden

From Russia with Love

Heinrich

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